Archiv für August 2018

Von Danzig nach Tallinn – 04.08.-19.08.2018

Freitag, 24. August 2018

Am darauffolgenden Tag ging es mit der Fähre wieder runter von dieser schönen kleinen Insel – Gott sei Dank dieses Mal mit einem größeren Katamaran. Natürlich musste die See ausgerechnet an diesem Tag gerade wie ein Brett sein, war ja klar…

Auf’s Estnische Festland ging es allerdings noch nicht, sondern für die nächsten zwei Tage zunächst auf die zwei vorgelagerten Inseln Saaremaa und Hiiumaa. Viel von der Ostsee bekamen wir hier leider nicht zu sehen, da der offizielle Radweg nicht direkt an der Küste entlang führt, sondern über die wenigen größeren Straßen, die die Küstenorte miteinander verbinden. Für einen Blick auf die Ostsee hätten wir jeweils teilweise mehrere Kilometer Stichstraßen fahren müssen, aber das haben wir uns dann doch geklemmt.

Beide Inseln sind gekennzeichnet durch viel Wald, Hiiumaa zählt sogar zur waldreichsten Region Estlands. Noch ein Grund, weshalb man vermeintlich dicht an der Küste wenig von selbiger zu Gesicht bekommt.

Pause auf Hiiumaa im Bushäuschen

Pause auf Hiiumaa im Bushäuschen

Wir haben das Internet gefunden!

Wir haben das Internet gefunden!

Unsere erste Station auf Estnischem Festland hieß dann Haapsalu, eine ganz interessante Kleinstadt an der Küste. Sie verfügt u.a. über einen stillgelegten Bahnhof, auf dem sehr alte, russische Loks stehen. Wenn die mal restauriert würden… Haapsalu schauten wir uns auch etwas genauer an. Auffällig waren die Unterschiede in der Architektur. Hier standen wirklich große und moderne Stadtvillen direkt neben (leider) teilweise verfallenden Holzhäusern, wie man sie viel in Estland sieht. Einen Besuch wert ist die Bischofsburg aus dem Jahre 1279.

Eine der alten russischen Loks in Haapsalu

Eine der alten russischen Loks in Haapsalu

Ein typisches (hier gut erhaltenes) Holzhaus in Estland

Ein typisches (hier gut erhaltenes) Holzhaus in Estland

Wir waren nun nur noch ca. 160 km von unserem Reiseziel Tallinn entfernt. Eigentlich wollten wir daraus zwei entspannte Touren um die jeweils 80 km machen, aber aufgrund fehlender bzgl. unattraktiver Campingmöglichkeiten, mussten wir am vorletzten Tag um die 120 km fahren, bis wir auf einem der vielen im Baltikum ausgewiesenen Wildcampingplätze ankamen. Dieser lag direkt an der Ostsee!

In Estland gibt es div. solcher Stellen, häufig wie unser in unmittelbarer Nähe zum Wasser. Im Normalfall findet sich dann dort ein Plumpsklo (ja, da muss man dann durch), sowie ein zwei Sitzmöglichkeiten und ggf. sogar ein Grill und/oder eine Feuerstelle. Statt einer Dusche springt man dann halt in die Ostsee. Wir haben dieses Angebot 2x genutzt – ist zu empfehlen 🙂

Wildcampen an der Ostsee

Wildcampen an der Ostsee

Steilküste kurz vor Tallinn

Steilküste kurz vor Tallinn

Somit waren es dann am letzten Tag nur noch knappe 40 km, die wir entspannt in Tallinn reinrollten. Hier verbrachten wir dann noch den kompletten Samstag und stürzten uns ins Tourigewimmel. Tallinn ist für ein verlängertes Wochenende sehr zu empfehlen. Die Altstadt ist (trotz der inflationären Souvenirbuden) wirklich sehr sehenswert.

Blick auf einen Teil von Tallinns Altstadt

Blick auf einen Teil von Tallinns Altstadt

Sonntag ging es dann früh Richtung Flughafen. Neben unseren Equipment hatte Carsten noch eine dicke Erkältung mit Fieber und allem was dazu gehört im Gepäck, welche ihn am vorangegangenen Tag eingeholt hatte. Gott sei Dank fanden wir eine ganz nette Straßenbahn-Führerin, die uns trotz Fahrradverbots in die Bahn ließ und wir so zum Flughafen kamen. Hier hieß es noch die Räder auseinanderzubauen, transportsicher (soweit möglich) zu verpacken und empfindliche Teile mit Luftpolsterfolie, die wir uns noch im Baumarkt den Tag zuvor gekauft hatten, zu sichern. Das hat inkl. dem Flug alles sehr gut geklappt: Die Räder als auch unser Gepäck und wir auch (!) kamen heil in HH an.

Unsere "verpackten" Räder

Unsere „verpackten“ Räder

Dann noch schnell mit ganz vielen anderen Rennradfahrern in den dann völlig überfüllten RE, denn was wir nicht wussten war, dass an dem WE noch ausgerechnet die Cyclassics stattfanden. Naja, mit ein bissl Fahrrad-Tetris war dann auch dieser Teil unserer Heimreise möglich 🙂

Und hier noch unsere Radtour im Überblick

Tag 1
Strecke: Danzig – Campingplatz hinter Danzig
Streckenlänge: 17,7 km
Tag 2
Strecke: Campingplatz hinter Danzig – Frombork (Frauenburg)
Streckenlänge: 86,8 km
Tag 3
Strecke: Frombork (Frauenburg) – Kaliningrad
Streckenlänge: 69,7 km
Tag 4
Strecke: Kaliningrad – Nidden (Nida)
Streckenlänge: 93,5 km
Tag 5
Strecke: Nidden (Nida) – Palanga (Polangen)
Streckenlänge: 80,7 km
Tag 6
Strecke: Palanga (Polangen) – vor Liepāja (Libau)
Streckenlänge: 72,6 km
Tag 7
Strecke: vor Liepāja (Libau) – hinter Pāvilosta (Paulshafen)
Streckenlänge: 86,9 km
Tag 8
Strecke: hinter Pāvilosta (Paulshafen) – Abavas rumba
Streckenlänge: 90 km
Tag 9
Strecke: Abavas rumba – Mērsrags
Streckenlänge: 71,1 km
Tag 10
Strecke: Mērsrags – nach/auf Ruhnu
Streckenlänge: 10 km
Tag 11
Strecke: Ruhnu – Villamaa (Hiiumaa)
Streckenlänge: 85,2 km
Tag 12
Strecke: Villamaa (Hiiumaa) – Haapsalu
Streckenlänge: 63,6 km
Tag 13
Strecke: Haapsalu – Laulasmaa
Streckenlänge: 119 km
Tag 14
Strecke: Laulasmaa – Tallinn
Streckenlänge: 36,7 km

Ruhnu – ein Blick in die Vergangenheit

Montag, 13. August 2018

Die Nacht in unserer “Luxushütte“ war recht kurz: Krabbelgeräusche in der Bettdecke (vmtl ein Ohrkneifer, denn zwei weitere Kumpel hatten wir bereits vor die Tür gesetzt) sowie Temperaturen um die 14 Grad (unsere Tür war undicht und ließ die Nachtkälte rein), ließen uns nicht so recht zur Ruhe kommen. Gegen halb acht hieß es auf zum Hafen, weil um 8 Uhr unser Boot, ein alter Fischerkutter, ablegen sollte.

Ach wie naiv und romantisch war da noch meine Vorstellung von einer schönen und entspannten Überfahrt auf die Insel Ruhnu. Hätte ich geahnt, was da auf mich zukommt, hätte ich mir gleich noch ein paar von Mönchens „k.o.-Tropfen“ eingeholfen, die ich mir eigentlich für den Rückflug mitgenommen hatte. In diesem kleinen Kutter merkte man jede Welle und das Boot schaukelte von links nach rechts und es ging hoch und runter! Die Wellen hatten zu Spitzenzeiten bestimmt um die 2 m Höhe und das Heck, auf dem wir uns aufhielten, wurde regelmäßig überspült. Carsten meinte, es hätte auch schlimmer kommen können (bspw bei Regen), aber es brauchte eine Stunde (von insgesamt dreien für die Überfahrt!), bis ich das verinnerlicht hatte. Bis dahin brauchte ich nämlich um mich einigermaßen auf dieses Geschaukel und die Situation einzustellen.

Nach diesen gefühlt unendlich langen 3 Stunden kamen wir endlich auf Ruhnu an. Es ist eine hübsche sehr kleine Insel von nur ca. 11 km². Wir radelten einmal durch den einzigen Ort in der Mitte der Insel, bevor wir uns zu unserer heutigen Übernachtungsmöglichkeit aufmachten.

Wir bewohnen eine 1933 erbaute Reetdachhütte, damals noch von den Schweden bewohnt. Auf dem Gelände befinden sich einige weitere dieser Hütten. Die älteste ist von 1838! Insgesamt eine tolle Anlage.

Abendbrot gab es im Haupthaus nebenan. Ein Gericht (heute Klops mit Kartoffeln und Salat), entweder du magst es, oder du hast Pech 😉 Einen Kuchen zum Nachtisch gab es noch dazu.

Wir verkrümeln uns gleich in unsere Hütte und lauschen den Larven der Holzbockkäfer (Holzwürmer) die sich hörbar durch unsere Unterkunft fressen…

Die “Palsa“, unser Kutter

Die “Palsa“, unser Kutter

Unsere Holzhütte von 1933

Unsere Holzhütte von 1933

Nix für große Leute

Nix für große Leute

Urische Innenausstattung

Urische Innenausstattung

Die alte und neue Dorfkirche des Ortes

Die alte und neue Dorfkirche des Ortes

In Lettland von Küste zur Küste

Sonntag, 12. August 2018

Am fünften Fahrtag sollte es über die Grenze nach Lettland gehen. Hierzu starteten wir zuerst in Litauen mit einer Ortsdurchfahrt von Polangen (Palanga). Einst war der südliche Teil der Stadt die Nordspitze des deutschen Ostpreußens. Heute ist dies einer der oder der größte lettische Urlaubs- und Partyort. So reihen sich Bars, Clubs und sonstige Etablissements aneinander. Es wurden gerade auf der Straße mit Kärcher und Pustefix die Hinterlassenschaften der letzten Nacht beseitigt. Das bereits erschiene Personal war wach, mehr aber auch nicht.

Bis kurz vor der Grenze radelten wir weiterhin auf den hervorragenden Fahrradwegen. Dann ging es auf die A13. Wir ahnten schon Böses, da es die höchste Kategorie von Straßen in Lettland darstellt. Eine Autobahn ist es jedoch zum Glück nicht, eher eine Bundesstraße, die nicht ganz so stark befahren ist wie bei uns. Auf diesem Straßentyp verläuft in Lettland ein Großteil der Euroveloroute. Exakt mit Grenzüberschritt durchfuhren wir auch die erste der diversen Etappenbaustellen. Mit Längen von 500 Metern bis 2 Kilometern sind sie ganz schön anstrengend. Zudem sind sie naturgemäß auf den Autoverkehr ausgerichtet, so dass man die Durchfahrt in der Grünphase nur in ca. 50 % der Fälle schafft. Wir ignorieren die Ampel mittlerweile in diesen Fällen konsequent, so dass sich die Baustellen ertragen lassen.

Da der fünfte Tag mit ca. 32 Grad der vsl. heißeste unserer Tour wird, sind wir bereits nach etwas über 70 Kilometern auf einen Zeltplatz direkt am Meer eingebogen. Wir brachten beides zusammen und sprangen auch nach Aufbau des Zeltes direkt am weißen Sandstrand in die Ostsee. Sehr erfrischend. Der Zeltplatz war etwas für die ganze Familie mit allem pipapo – 3 Spielplätze, Restaurant, Trampolinanlage, Streichelzoo usw. Darüber hinaus war er jedoch auch liebevoll mit maritimen Details und Kleinkunst ausgestattet, bspw. individuell gehäkelte Beringung eines Großteils der Bäume. Ist Geschmackssache. Ein lustiges Detail fanden wir im Entsorgungsbereich – unsere Tonne besieß oben einen Schlitz und drauf stand “Wahlbezirk Frankfurt am Main“. Auch eine Art, zu sagen, wie modern die Stimmabgabe in Deutschland ist. Zumindest im Nachbarland Estland kann man bereits seit 2005 seine Stimmabgabe elektronisch durchführen.

Vor den letzten drei Tagen in Lettland hatten wir Respekt, da einerseits noch eine große Strecke vor uns lag, andererseits für den drittletzten sowie letzten Tag in Lettland Regen vorhergesagt war. So wurden wir am nächsten Morgen auch direkt gegen Sechs von einem kräftigen herannahenden Gewitter geweckt. Wir versuchten noch schnell, alles zusammenzupacken, schafften es jedoch leider nicht. Somit flüchteten wir unter etwas festere Bausubstanz und packten anschließend das klitschnasse Zelt ein. Der Tag blieb unbeständig, wir schafften jedoch ob guten Timings unserer Pausen eine größere Strecke im Trockenen. Auf unserem Weg lagen die beiden größeren Orte Libau (Liepaja) und Paulshafen (Pavilosta). Zu beiden gibt`s nicht viel zu sagen. Man sieht hier, dass Lettland der ärmste der drei baltischen Staaten ist. Der Lack ist zumeist ab, und dies optisch bereits die letzten dreißig Jahre. Bei Libau kommt jedoch verschärfend hinzu, dass die Stadt zur Zeit der russischen Okkupation wg. des Militärhafens vom Umfeld abgeschnitten war. Davon erholt es sich offensichtlich bis heute nur schwer.

Am siebten Tag fuhren wir ins Landesinnere, zuerst durchs Kurland. Landschaftlich erinnert’s zumeist an die Mecklenburger Schweiz mit einer Überwürzung an Nadelwald. Im Kurland hielt sich die deutsche Wehrmacht mit den Letten an ihrer Seite bis zur Gesamtkapitulation noch gegen Russland. Die Letten kämpften sogar nach dem Krieg noch bis 1953 aus den Wäldern heraus weiter. Zumindest die Letten sind hier auf ihre “Helden“ stolz, wie man es das eine und andere Mal auf historischen Hinweisschildern am Straßenrand lesen kann. Sehenswert ist im Kurland auf jeden Fall Goldingen (Kuldiga) mit seinem historischen Kern. Ist hier erstmal der Großteil saniert… können die Einwohner sich vor Touristen vmtl. kaum noch retten. Durch den Ort führt auch das Flüßchen Windau (Venta). Aus dem Ort heraus ergibt sich ein traumhafter Blick auf den fast 300 Meter breiten Wasserfall. Am Ende des siebten Tages stoppten wir mangels Alternativen auf einem wilden Campingplatz bei den Wasserfällen Abavas Rumba. Somit ging es statt unter die Dusche in den Fluss und in Erwartung des nächtlichen Regens zeitig ins Zelt.

Am achten Fahrtag und damit letzten in Lettland hieß unser Reiseziel Mersrags am Rigaischen Meerbusen. Wir hatten zum Glück nur 70 km zu bewältigen. Da das Wetter sehr wechselhaft war und wir mehrmals nass wurden, war dies jedoch auch gut so. Unterwegs durchfuhren wir die Stadt Talsi. Hier gab es heute ein Mountainbikerennen für Kinder, welches insbesondere durch die Eltern zelebriert wurde. Carsten überlegte kurz, mit an den Start zu gehen – inkl. Gepäck. Ansonsten ergab sich auf der heutigen Tour ein ähnliches Bild wie gestern im Kurland. Damit ist unser Weg in Lettland nun beendet und morgen gehts auf den gecharterten Ausflugskutter Palsa auf die kleine Insel Ruhnu. Den Kahn haben wir im Hafen bereits entdeckt und so sind wir guter Dinge, dass wir morgen früh um 8 losschippern können.

Grenzübertritt nach Lettland inkl. erster Baustelle

Grenzübertritt nach Lettland inkl. erster Baustelle

Erster Campingplatz in Lettland direkt am Strand

Erster Campingplatz in Lettland direkt am Strand

Marktplatz Goldingen

Marktplatz Goldingen

Breiter Wasserfall in Goldingen

Breiter Wasserfall in Goldingen

Trocknen des Zeltes bei Ankunft

Trocknen des Zeltes bei Ankunft

“Luxusunterkunft“ in Mersrags

“Luxusunterkunft“ in Mersrags

Bye bye Beton, hallo Natur

Mittwoch, 08. August 2018

Am dritten Fahrtag unserer diesjährigen Tour starteten wir bei unserem Hotel zentral in Kaliningrad. Gen Norden gibt es nicht so richtige kleinere Ausfahrtsstraßen. So entschieden wir uns zw. Pest und Cholera und fuhren nach Nord-Westen auf einer streckenweise sechsspurigen Straße aus der Stadt. Nach ca. fünfzehn Kilometern waren wir froh, auf eine kleinere Landstraße einbiegen zu können. Aber auch hier musste man höllisch aufpassen, da wir trotz Gegenverkehr generell stets überholt wurden. Aber wir leben ja beide noch. So peikten wir die ersten 35 km auch ohne Pause bis zum russischen Küstenbadeörtchen Selenogradsk durch. Einfach nur potthäßlich – über die Ostsee betonierte Promenade, betonierte Seebrücke, betonierte Hotelkomplexe und ca. die Hälfte abrissreif bzw. nicht vollendet, bei kleineren Häusern scheint zusätzlich ein mannhoher Betonzaun in Irgendwasoptik envogue zu sein. Dafür lässt man auf der anderen Seite ältere Baustruktur verkommen. Gekrönt wird dies mit der Tatsache, dass an den Absperrzäunen im Ort mit Bildern aus den 20-30er Jahren an “bessere Zeiten“ erinnert wird. Den zumeist russischen Besuchern scheint es egal zu sein, gut besucht ist’s.

Also nach kurzer Pause inkl. Einkauf raus aus dem Ort und rauf auf die Kurische Nehrung. Diese ist insgesamt Naturschutzgebiet. Bis zur litauischen Grenze hatten wir noch 50 km zurückzulegen. Die Strecke führte auf einer kleinen Straße durch bewaldetes Gebiet. Leider gab es keinen einzigen Blick auf Ostsee oder Haff. Daher bestiegen wir hierzu eine der Dünen (Müllers Höhe) und wurden auf ca 45 m Höhe für den Aufstieg belohnt. Ansonsten wurde der Weg auf der Nehrung auf russischer Seite lediglich von drei kleineren Orten unterbrochen. Einen hiervon schauten wir uns etwas genauer an. Touristisch war zumindest dieser nicht erschlossen, die Lebensbedingungen überwiegend sehr einfach. Nach ca. 90 km waren wir letztendlich froh, noch rechtzeitig vor Ablauf unseres Visums die Grenze erreicht zu haben. Die bereits bekannte Wartezeit versüßte uns ein Fuchs, der sich uns bis auf zwei Schritte näherte, um offensichtlich nach etwas Essbaren zu betteln. Kurz hinter der Grenze lag in Nidda unser Zielzeltplatz für die Nacht. Da es noch nicht sehr spät war, nutzten wir die Zeit für einen Spaziergang durch den Ort, aßen am Hafen frisch geräucherten Fisch und bestiegen zum Sonnenuntergang eine weitere Düne auf litauischer Seite – traumhaft.

Am vierten Reisetag waren wir nun in Litauen unterwegs. Die ersten 50 km weiterhin auf der Nehrung, die letzten 30 auf dem Festland. Und – es ist traumhaft. Bestens ausgebaute Fahrradwege mit abwechslungsreicher Führung, schöne Natur zu Land sowie an der Küste und auch die Stadt Klaipeda (Memel) nach Übersetzen aufs Festland überzeugt mit historischem Kern und diversen guten Lokalen. Auch die Zeltpätze sind bis dato eher mit deutschen als polnischen Standard zu vergleichen. Insgesamt ist Litauen ein kompletter Kontrast zum eher tristen Streckenabschnitt zuvor in Russland. Wir sind gespannt, ob dies so bleibt und was uns ab morgen in Lettland erwartet…

Geradeaus auf der Kurischen Nehrung in Russland

Geradeaus auf der Kurischen Nehrung in Russland

Typischer Anblick eines russischen Ortes

Typischer Anblick eines russischen Ortes

Der Grenzfuchs

Der Grenzfuchs

Abenddämmerung auf einer Düne in 52 m Höhe

Abenddämmerung auf einer Düne in 52 m Höhe

Toller Radweg auf der Nehrung in Litauen

Toller Radweg auf der Nehrung in Litauen

Altstadtkulisse in Memel, Litauen

Altstadtkulisse in Memel, Litauen

Eurovelo 13-Beschilderung

Eurovelo 13-Beschilderung

Es geht endlich wieder los

Montag, 06. August 2018

Direkt für den ersten Urlaubstag wurden die Wecker auf kurz nach 5 gestellt. Somit konnten wir den 6 Uhr-Zug nach Ludwigslust nehmen, um dann über Berlin zu unserem Startort Danzig zu gelangen. Die erste Überraschung gab es dann auch direkt am Bahnsteig in LWL, der uns trotz Reservierung und Bitten nicht mitnehmen wollte. Grund: Der Waggon mit Fahrradabteil war nicht dabei. Tolle Wurst. Zum Glück gabs einen Schalter, bei dem wir noch eine Alternative mit taggleicher Ankunft buchen konnten. Sonst wäre die Tour auch schon wieder vorbei – unser Visum für Russland bedingte eine pünktliche Anreise.

Gegen neun Uhr Abends radelten wir dann endlich durch Danzig. Sehr schön und mit einer Prise Straßenkultur, genau so, wie wir sie von unserem Tourabschluss vor vier Jahren in Erinnerung hatten. Bei drei Hotels fragten wir nach freien Plätzen für die Nacht – jedoch sämtl. Betten belegt – läuft. Also hieß es – Fahradlampen sowie die des GPS an und auf den großen Ausfahrtsstraßen raus aus der Stadt. Nach ca. 1 Stunde Fahrt kamen wir dann endlich auf einem Zeltplatz an. Das Tor mussten wir selbst “knacken“, in der Rezeption war jedoch noch jemand. Somit waren wir, wenn auch spät, nun im Urlaub angekommen.

Am nächsten Tag setzen wir von der Insel, auf der wir übernachteten, mit einer Fähre über die Weichsel. Zuerst ging es noch ein kleines Stückchen in Ostseenähe entlang, hier mit dem gewöhnlichen polnischen Tourikitsch inkl. Lody Gofry Staffette, Spielautomaten und Billigunterkünften. Danach fuhren wir jedoch nördlich von Marienburg und Elblag über Tolkmicko am frischen Haff nach Fraunenburg (Frombork) durchs Hinterland. Hier gab es dann eine schöne Mischung aus bestellten Feldern, Flüssen und Seen, Dörfern, denen teilweise die deutsche Vergangenheit anzusehen war und später auch kleineren bewaldeten Hügeln im Bereich der Elbinger Höhen. Die Wege waren, nach unserer eher mäßigen Erfahrung vor vier Jahren in Polen, diesmal grundsätzlich gut. Beschilderung gibt es, trotz Ostsee-Eurovelo, an keiner Stelle. Dafür entdeckten wir einen Greenvelo vor Tolkmicko. Diese Wege kannten wir bereits aus Tschechien und diese zeichnen sich zumeist durch ihre Führung absets vom Verkehr aus. Dafür nimmt man dann auch den Plattenweg in Kauf.

Nach ca. 90 km kamen wir in der Zielstadt Frauenburg an. Eben diese schauten wir uns auch noch an – sehr sehenswert. Nikolaus Kopernikus lebte und arbeitete hier. In der Burg kann man auch einen Blick in sein Observatorium werfen.

Heute fuhren wir früh los, um möglichst rechtzeitig an der russischen Grenze zur Exklave Kaliningrad zu sein. Dies gelang uns auch und in etwas unter einer Stunde hatten wir die insgesamt 5 Kontrollen durchlaufen. Es ist mit Kenntnis der europäischen Reisefreiheit schon etwas befremdlich. Zumindest trägt man aber hier keine großkalibrigen Waffen mehr offen. Danach ging es für uns dank Rückenwind als auch unsere überholenden Autos sehr flott über eine seeeehr gerade Straße ~ 50 km nach Kaliningrad. Lediglich eine kurze Pause machten wir in der “Brandenburg Taverne“. Die Leute stehen hier gefühlt ein bissl auf die deutsche Vergangenheit – nur beim deutsch, aber auch englisch hapert es. Das gute Schulrussisch von Carsten hilft aber an der einen oder anderen Stelle, sei es auch nur zur Begrüßung, Verabschiedung, Danke oder auch die Schilder an der Straße.

Nach Ankunft in Kaliningrad und Hotel-Check-in drehten wir noch eine Runde zu Fuß durch die Innenstadt. Historisches gibt es hier nicht sehr viel zu sehen. Zumeist begegnet einem eine romantische Plattenbau-Tristesse nebst Kriegsdenkmälern in jeder denkbaren Form. Lediglich einige wenige Vorkriegsgebäude sind noch erhalten bzw. wieder aufgebaut. Leider verfallen noch immer ältere Gebäude, obwohl an anderen Stellen Retortengebäude hochgezogen werden. Aber das wird schon. Am Grab von Immanuel Kant haben wir ihm nochmal kritisch aus reiner Vernunft anerkennend zugenickt und sind anschließend abends noch im eher nördlich liegenden Szenegebiet essen gegangen. Morgen werden wir Kaliningrad über die Kurische Nehrung Richtung Litauen verlassen – müssen wir auch, denn das Visum gilt nur bis dahin.

Plattenbauten in Kaliningrad

Plattenbauten in Kaliningrad

Ortseingang Kaliningrad

Ortseingang Kaliningrad

Kurz nach der russischen Grenze

Kurz nach der russischen Grenze

Am Frischen Haff

Am Frischen Haff

Greenvelo in Polen

Greenvelo in Polen

Störche gab es in fast jedem Dorf auf polnischer Seite :)

Störche gab es in fast jedem Dorf auf polnischer Seite 🙂

Entlang des Greenvelo

Entlang des Greenvelo